2013 – Rouen-Clair-Ente

Entenrassen im Blickfeld - Die Rouen Clair-Enten

Die smarten Franzosen im XXL-Format haben sich in den letzten fünf Jahren zu einer festen Größe auf unseren Schauen etabliert. Ruhiges Wesen und ihr zartes, bei unseren französischen Nachbarn als formidable und magnifique bezeichnetes Fleisch, sind zwei gute Gründe, diese Entenrasse zu züchten.

Rouen Clair-Enten trennen sich klar von den in der Züchterwelt weitaus bekannteren Rouenenten ab. Kein Kiel, deutlich mehr Länge und die aufgehellte Wildfarbe – für Rouen Clair-Enten züchterische Eckpfeiler – für Rouenenten grobe Fehler. Beide uns heute bekannten Formen gehen in ihrem Ursprung auf Enten aus der Normandie und Bretagne zurück. Die dort ansässigen langen, großen Enten wurden bereits 1578 von „Bartas“ erwähnt. In einer Muschel höre man den Schrei dieser Enten, so überliefert uns die Legende. Einschlägig wird in franz. Fachliteratur berichtet, dass der Franzose Garry die Rasse in der Zeit von 1910 bis 1920 rassisch formte: Dazu benutzte er nach eigenen Angaben zur allgemeinen Verbesserung die „Canard de Colvert“, übersetzt, die Stockenten. Garry stellte einen Standard auf und brachte die Rasse in einer Sitzung des franz. Geflügelverbandes am 29.5.1923 zur Anerkennung. Ich fand bereits in „L’Industrie du Canard von 1910“ eine Standardversion für Rouen Clair-Enten, welche man sich von einem Herrn Lasseron borgte, der diese für die „Societe nationale de Aviculture“ verfasst hatte. Nun ja, detailgetreue Aufklärungsarbeit müssen wir nicht betreiben, es war mir nur wichtig darauf hinzuweisen, dass die Rouen Clair-Enten als Rasse wohl weit vor 1900 entstanden.

Umso verwunderlicher scheint dann die Tatsache, dass sie erst im Juli 1993 in den Deutschen Standard aufgenommen wurde. Fasst man die Sache etwas weitläufiger, so muss man auch die Duclair-Ente erwähnen. Es handelt sich dabei um eine ebenso große Ente, jedoch zeigt sie ein fast schwarzes Federkleid, mit dunkelster Wildzeichnung durchsetzt. Auch sie ist ein „Abkömmling“ der großen Enten von Rouen und wurde in dem davon etwa 20 km entfernten Ort Duclair gezüchtet.

Lang, länger, am Längsten, Rouen Clair-Enten müssen bei der Länge unbedingt XXL-Format mitbringen. Keine Länge, keine Preise – dem ist nichts hinzuzufügen. Wer hier farbliche Zugeständnisse vor Körpervolumen und Form stellt, kommt in Kürze mit Tieren im „Landentenformat“ daher. Wir sind gut beraten auch die Bewertungen entsprechend abzufassen. Im franz. Standard von 1956 finden wir unter „Ideale Länge“ folgendes: von der Schnabel- (bei ausgestrecktem Hals) bis zur Schwanzspitze 90 cm“. Keine übertriebene Forderung, aber zugegeben eine Zahl, die deutlich Maßstäbe setzt! Sahen wir zur Anerkennung durchaus solche langen „Wuchtbrummen“ im Käfig, bleibt heute ein Großteil hinter diesen Vorgaben zurück. Die Titelaspiranten mögen sich durchaus noch auf ein Standardgewicht von 3,5 – 4kg der Herren und 3 – 3,5kg der Damen mogeln können, mehr aber nicht. Vollends abgerundete, gut ausgefüllte und vor allem gestreckte Walzenform – so avancieren die Rouen Clair-Enten zu einem wahren Gaumenschnalzer. Das Auge des Betrachters darf sich an der Länge gar nicht mehr satt sehen können, erst dann haben wir die Sache auf den Punkt gebracht. Ihre Rumpfhaltung ist leicht aufgerichtet – Punkt! Wer „Haltung waagrechter“ auf die Karte schreibt, sollte sich vollends bewusst sein ,dass eine waagrechte Haltung als grober Fehler anzusetzen ist. Es gibt wenige Aspiranten welche zu aufgerichtet sind, aber das Groh passt! In der Unterlinie glatt, ohne Kielansatz, versteht sich. Zeigt eine Dame zur Nationalen einen Legebauch – na ja- man muss nicht alles strafen. Im Rücken breit, kaum gewölbt und allseits rund. Wenig hervorspringend, jedoch voll ausgerundet, stellt sich die Brust dar. Ebenfalls reich an Volumen wünschen wir den Bauch, ohne sich schleppend darzustellen. Wammen- oder Kielbildung sind grundsätzlich verboten. Opulent – doch so würde ich die Form der Rouen Clair-Enten mit einem Wort umschreiben. Zart gezogen der Kopf, mit nicht zu hohem Scheitel und sanftem Stirnanstieg. Die lebhaften Augen dunkelbraun. Der Schnabel lang und breit, mit leicht hohler Firstlinie. Raue Oberschnäbel stören manchmal.

Farbe beim Erpel gelb mit leicht grünlichem Ton ohne schwarzen Mittelstrich, sprich Sattelfleck. Also die Basisfarbe ist gelb, mal mehr oder weniger grün überzogen – ist der Schnabel aber gänzlich weidengrün, hagelt es kräftigen Punktabzug. Die Ente ebenfalls im Grund gelb (bis ockergelb), mit einem als mäßig an- zusetzenden Braunton oder leicht dunklen Flecken. Beide Geschlechter mit dunkler Bohne. Unsere französischen Nachbarn tendieren mehr zu einem grünen Schnabel beim Erpel, er sei leichter zu züchten. Nun ja seit Anbeginn steht die Forderung nach einem Gelb grundigen Schnabel beim Erpel – warum sollten wir es ändern? Anmutig gebogen, mittellang und nicht zu dick, wünschen wir uns den Hals. Fest an die Körperseiten angelegt, bedecken die Flügel sorgfältig den langen Rücken. Kreuzende Flügel gibt es eigentlich nur, wenn der Rücken zu kurz ist. Folgen die Schwanzsteuern der Rückenlinie, verstärkt dies den Ausdruck der Länge ungemein. Spitze, schmale Hinterpartien sorgen für schmackhafte Sonntagsbraten. Kräftig, gut bemuskelt, ragen die vollkommen im Weichengefieder eingebetteten Schenkel nicht sonderlich hervor. Der Standard gibt an, dass Läufe etwa in der Körpermitte eingesteckt sind. Dehnen wir das Wörtchen „etwa“, so können/müssen/dürfen die Läufe auch deutlich hinter der Körpermitte sitzen, meine Meinung. Sie, die Läufe, wirken zum Gesamthabitus der Ente eher feingliedrig, bleiben orange ohne Flecken. Ihre wahre Stärke zeichnet sich bei der Ringgröße 18 für Erpel und Ente ab. Unsere Rouen Clair-Enten zeichnen sich trotz ihrer Größe als eine agile, im Auslauf bei der Suche nach Kerbtieren sogar mit flink zu bezeichnende Entenrasse aus.

Geschlossenes, gut anliegendes Gefieder wird verlangt – Punkt, das passt so! Wir dürfen es uns auf der Karte auch straffer, kompakter oder fester wünschen, aber wirklich erst dann, wenn das Maß der Dinge auch wirklich überschritten wurde. Im Hals sind Rouen Clair-Enten bzw. unsere großen Entenrassen nicht so glatt wie die Cayugaenten – es wäre nahezu fatal, solche Anforderungen zu stellen. Kopf und Oberhals beim Erpel schwarz mit schönem grünem Glanz. Ein weißer, hinten offener Ring umfasst etwa zu 4/5 den Hals. Ab und an patzt da schon einmal ein Herr, dessen Ring den Hals in Gänze umschließt – ein Fehler! Unterhals und Brust, etwa bis zum Flügelansatz, rotbraun mit zarter weißer Säumung an jeder Feder. Flanken silbergrau geperlt. Im Rücken einen Ton dunkler als an den Flanken. Bürzel wiederum schwarz mit grünem Glanz. Locken und Unterschwanzkeil ebenfalls schwarz. Die Schwanzsteuerfedern sind graumeliert bis weißgrau. Bauch von der Unterbrust bis an den Afterbereich hellgrau, in weiß übergehend. Wir registrieren, Afterweiß ist nicht nur erlaubt, sondern sogar gewünscht! Spiegel blaugrün glänzend. Die Spiegeleinfassung vorn und hinten zuerst mit einem schwarzen, dann mit einem weißen Saum abschließend. Wir vom SV der Entenzüchter stellen den Spiegelsaum noch immer in die zweite Reihe zurück. Wer ihn hat, rückt näher an den Lorbeer, wer nicht, hat einen Wunsch mehr auf der Karte. Isabellfarbig (sehr helles Braun) sollen die Enten sein, so im Standard notiert. Vorbild ist weitestgehend die Forellenfarbe der Laufenten, im Grundton jedoch deutlich satter. Die Grundfarbe basiert auf ockergelb, er- go sind rote Tönungen unerwünscht. Wir können das helle Braun der Haflinger Pferde als Eselsbrücke nutzen. Immer wieder finden fast wildfarbige Enten den Weg in den Käfig – warum nur? Jede Feder des Rückens, der Flanken und des Schwanzes sowie abgeschwächt in der Bauch- und Brustregion zeigt eine spitz- winkelige bis hufeisenförmige, satt braune (dunkles Braun) Zeichnung. Beidseitig zieren zwei fast weiße Zügel das Gesicht. Ebenfalls hell die Kehle, dort darf die helle Farbe nicht bis tief in die Brust auslaufen. Dieses Zeichnungsbild erinnert uns an die Kopfzeichnung der Sachsenente. Enorm mit welchem Eifer unsere Züchterinnen und Züchter an diesen Merkmalen arbeiten. Verbesserungen sind jährlich zu erkennen, wer nicht mitmacht bleibt im Notenkeller. Das Fehlen der Zügel prangert unter Grober Fehler. Bereits die Andeutung dieser entbindet den Preisrichter vom Ausschluss. Im Spiegel wie die Erpel, auch hier bedarf es noch viel Sorgfalt in der Zucht.

Wer eine solche Ente auf frühen Schauen zeigen möchte (und das möchten viele Züchter), der ist auf frühe Nachzucht angewiesen. Da empfiehlt sich selbstredend die Kunstbrut, um Junggeflügelschauen mit kräftig entwickelten Tieren beschicken zu können. Naturbrut treffen wir bei den Rouen Clair-Enten selten an. Je- der Züchter ist gut beraten, in Abständen das Gewicht der Bruteier zu kontrollieren. Grundlos wird nicht das Mindestgewicht für ein Brutei mit 80 Gramm angegeben. Kleines Ei – kleines Küken; großes Ei – großes Küken. Irgendwo müssen sich die vermeintlichen „Wonneproppen“ ja entwickeln, eben in einem großen Ei. Weiß, cremefarbig bis grünlich wird als Schalenfarbe genannt, man muss also nicht wählerisch sein. Erblicken die Küken das Licht der Welt, so beginnen wir mit leichter Kost. Kamillentee erweist als Kaltgetränk gute Dienste. Haferflocken vermischt mit Kükenmehl oder Kükenstarterfutter bieten eine sättigende Grundlage. Bei aller Liebe zum Wachstum, treiben, gar mästen, dürfen wir nicht. Den Küken reichen wir 4-5, im Teenager-Alter 3-4 mal pro Tag die Mahlzeiten. Eine sättigende Gabe zur Nacht wirkt sich vorteilig aus. Achtung, auch zu dieser Tageszeit ist immer für ausreichend Trinkwasser zu sorgen. Bitte Grünfutter nicht vergessen. Salat und grüne Kohlsorten beleben den Speiseplan und regulieren die Verdauung. Feinkrümeliges Weichfutter, aus gekochten Kartoffeln oder Topinamburknollen vermischt mit Kleie und Schrott, werden gerne aufgenommen. Eine saubere Badegelegenheit gehört zur Grundausstattung in der Wassergeflügelzucht.

Frisches, vor allem kühles Trinkwasser, muss den Tieren ständig zugänglich sein. Steigt die Wassertemperatur auf 25°C und mehr, verringert sich die Wasseraufnahme bei Enten drastisch. Unter Umständen treten Mangelerscheinungen auf. An heißen Sommertagen dürfen schattige Ruhezonen nicht fehlen. Wer ohne Baumbestand auskommen muss, kann mit einfachen Unterständen zum Wohlbefinden der Tiere beitragen. Kann Rouen Clair-Enten freier Auslauf geboten werden, dann suchen sie, wie jede andere Entenrasse mit unbändigem Eifer nach allerlei Kerbgetier. Kein Grundsatz, aber wer möchte, der lässt die Herren für die Zucht ein wenig abspecken – das gibt Elan für die schönste Nebensache der Welt. Zuchtstämme mit 1,2 maximal 1,3 Tieren, versprechen die nachhaltigsten Erfolge. Sollten sich tatsächlich mal Defizite in der Befruchtung ergeben, so hat mancher Erpel bereits beim puren Anblick eines Nebenbuhlers freudig seine „Arbeit“ verrichtet. Mit einer durchschnittlichen Legeleistung von 80 Eiern je Ente (stimmt das noch?) können Küken in großer Zahl erbrütet werden.

Wie selbstverständlich behalten wir, die Rassegeflügelzüchter, auch den wirtschaftlichen Charakter der Rouen Clair-Enten nicht nur bei, sondern festigen diesen. Das feinfaserige Fleisch ist würzig und wohl- schmeckend. Ihre helle Haut erleichtert die Vermarktung. Der Größe Rechnung tragend, geben sie für die ganze Familie einen vorzüglichen Braten ab. Wichtiger Hinweis: werden die Tiere gemästet, so setzen sie unweigerlich Fett an – in der heutigen Küche ein unerwünschter Gast.

XXL-Ästhetik vereint mit einer zart aufgehellten Wildfarbe – Rouen Clair-Enten bieten beides! Ihnen sind viele neue Züchter/innen zu wünschen, welche sich diesen Rasseattributen annehmen und sie erhalten.

Paul-Erwin Oswald

Paul-Erwin Oswald

Über den Author: Erzüchter der Altrheiner Elsterenten, Author zahlreicher Fachartikel zur Geflügelzucht und seit dem Jahr 2007 Vorsitzender vom Sonderverein der Entenzüchter Deutschlands e.V.

Zudem präsentiert er in seinem Gimbsheimer Entenmuseum Gemälde, Porzellanfiguren, Bücher, Zeitungen, Briefmarken und vieles mehr über die Entenzucht und somit auch einen großen Fundus für und vom Sonderverein der Entenzüchter.

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